Essay – Pferde als Co-Trainer
7. November 2017Essay – Pferde als Co-Trainer von Marco Niehoff
Es gibt heutzutage viele Methoden, um die eigene Führungsstärke zu ermitteln und zu analysieren. Beispielsweise können theorethisch per Fragebogen Eigenschaften abgefragt und anschließend Aussagen über die eigenen Fähigkeiten getroffen werden.
Aber wie verhält sich das Ganze am lebenden Objekt? Theorethische Vermittlung und praktische Umsetzung beziehungsweise Anwendung sind in den seltensten Fällen deckungsgleich. In der Realität spielen sowohl Umweltreize als auch Situationen innerhalb einer Organisation oder Systemkonstellationen eine entscheidene Rolle bezüglich der (Aus-)Wirkung von Führung.
Das Pferd spielgelt diese Komplexität sehr gut wieder. Es verkörpert die Spannung zwischen Außeneinflüsse (Umweltreize) und innerer Motivation, Aufgaben zielorientiert umzusetzen. Da das Pferd allgemein als Fluchttier bekannt ist, müssen zwei Voraussetzungen für ein positives Arbeiten geschaffen werden: Sicherheit und Aufmerksamkeit.
Aufmerksamkeit ist erst der zweite Schritt. Die wichtigste Voraussetzung ist Sicherheit und damit einhergehend Vertrauen. Erst wenn das Pferd mir als Führungskraft vertraut und mich als Leittier wahrnimmt, habe ich seine volle Aufmerksamkeit. Wenn ich ihm vermitteln kann, dass ich es vor möglichen Gefahren beschütze, kann ich vertrauensvoll sowie produktiv mit ihm arbeiten.
Natürlich nimmt ein Pferd weiterhin die Umwelt wahr. Der Instinkt lässt sich nicht abschalten und steckt weiterhin im Naturell des Tieres. Dennoch wird durch eine intensive Vertrauensarbeit das Band zwischen Mensch und Tier immer mehr verstärkt. Dadurch minimiert der Mensch das Risiko, dass sich das Pferd spontan einer Situation entziehen will. Denn das Pferd hat gelernt, dass es sich auf die Umsicht und die Stärke der Leitperson verlassen kann.
Vertrauen ist also ein Ergebnis von investierter Zeit, Einfühlungsvermögen, eigenem Selbstbewusstsein, Kommunikation sowie klaren Zielvorgaben. Wenn ich als Führungskraft eine Richtung vorgebe, muss mir das Pferd zu 100 Prozent vertrauen können. Ist erst einmal eine Vertauensbasis hergestellt, lassen sich nachfolgend weitere eindrucksvolle sowie erfolgreiche Entwicklungsschritte verzeichnen.
Das Pferd benötigt während des Arbeitsprozesses zur Motivationsstärkung immer wieder mal ein kurzes Feedback über erfolgte Schritte. Es gibt im Umgang mit Pferden zwei Arten von Feedback:
* Negative Verstärkung (Strafe bei falschem Verhalten bzw. das Aussetzen Strafe bei richtigem Verhalten) sowie
* positive Verstärkung (durch Lob bzw. anerkennende Worte bei richtigem Verhalten).
Meiner Meinung nach motiviert die zweite Methode das Pferd viel mehr, da es unmittelbar erkennt, dass ein guter und richtiger Schritt erfolgt ist. Durch positive Verstärkungen entwickelt das Pferd demnach viel mehr Spaß an der Arbeit. Folglich ist es von sich aus motivierter, die Zielvorgaben zu erreichen bzw. zu erfüllen. Ein situatives, wohl dosiertes und zeitnahes Feedback seitens der Führungskraft wirkt sich dabei äußerst effektiv auf den Lernprozess aus.
Die Arbeit mit Pferden zeigt also einen geeigneten Weg auf, wie gute Führung funktionieren kann. Durch stetige Vertrauensarbeit, Feedback geben und positive Verstärkungen kann sich auf lange Sicht eine, für beide Seiten, intensive und fruchtbare Beziehung bzw. Partnerschaft entwickeln.
Der Mensch in einer leitenden Position schärft dadurch seine Sinne auch für kleine Dinge (zum Beispiel bezüglich der Körpersprache), reflektiert mehr seine eigenen Verhaltensweisen, entwickelt ein noch besseres empathisches Verständnis für die Belange des Gegenübers und wird immer sicherer sowie selbstbewusster in seinem Auftreten, wenn die Zielvorgaben erreicht wurden.
Daher ist ein pferdegestützes Führungstraining eine geeignete Methode, um die eigenen Fähigkeiten praktisch zu ermitteln, zu testen und weiter zu entwickeln. Denn Pferde reagieren unmittelbar und vorurteilsfrei auf den Menschen. Sie folgen bereitwillig demjenigen, dem sie die Führung zutrauen.
Der Umgang mit Pferden ist direkt auf das Miteinander in Unternehmen oder in Organisationen übertragbar. Dort gibt es, wie auch in einer Herde, Hierarchien und Gruppenbildungen. Vertrauen zu anderen Mitarbeitern und vor allem zur Führung aufzubauen und beizubehalten, ist die größte Herausforderung. Studien haben ergeben, dass ein beträchtlicher Faktor für eine Kündigung von Seiten der Mitarbeiter ist, in welcher Art und Weise sie Führung erfahren. Deswegen ist es von eminenter Bedeutung, dass Führungskräfte sowohl Vertauen in ihre eigenen Fähigkeiten als auch in die der Mitarbeiter entwickeln.
Über den Autor: Marco Niehoff ist seit über acht Jahren für die Futura Personalentwicklung GmbH als Bewerbungscoach tätig. Desweiteren engagiert er sich als selbstständiger Berater für Wirtschaftsfragen auch im Bereich der Führungskräfteentwicklung. Mit dem Projekt FührungsPferde (www.fuehrungspfer.de) bietet er, in Zusammenarbeit mit einer Kollegin, ein pferdegestützes Führungstraining am Deister in der Region Hannover an.
Marco Niehoff
www.fuehrungspfer.de